Am 23.01. hatte die Maus die Pollizisation und ist jetzt stolze Besitzerin eines Daumens. Im Krankenhaus hatte ich weder die Zeit noch den Internetempfang um aktuell berichten zu können, das hole ich hiermit nach. Da dieser Blog für mich vor allem Therapie ist, möge man mir verzeihen, wenn ich etwas abschweife.
Wir kamen am Montag vor der OP an. Wir sind mit dem Zug gefahren und das Krankenhaus ist mit dem Bus vom Hauptbahnhof aus gut zu erreichen. Uns wurde die Station und unser Zimmer gezeigt und wir hatten eine Vorbesprechung mit dem Anästhesisten, den Chirurgen und einen Termin beim Röntgen. Die Maus durfte sechs Stunden vor der OP nichts mehr essen und zwei Stunden davor auch nichts mehr trinken. Der Termin am nächsten Morgen war auf um 10 festgelegt, ok.
Dann um halb zwölf nachts das Desaster: Die Maus spuckt!
Der große Bruder hatte leider beim Mittagessen auch schon Bauchschmerzen und hatte sich ebenfalls übergeben. Ein Virus! NEIN!
Um 12 spuckte sie ein zweites Mal. Ich hatte den Nachtschwestern Bescheid gesagt. Den Rest der Nacht blieb es ruhig.
Am Morgen war die Maus fit und hätte vermutlich ein riesen Frühstück verspeist. Ich durfte ihr bis um acht noch Tee mit Traubenzucker darin geben, wovon sie aber nur wenig trank. Vermutlich habe ich es mit dem Traubenzucker etwas übertrieben ... Der Magen vom Spucken leer und frühstücken verboten. Auwei. Ich war noch nie so gut darin sie abzulenken wie in den drei Stunden vom Aufwachen bis zur OP. Sie wurde nochmal vom Anästhesisten- und Chirurgenteam untersucht und für fit befunden, was auch mein eigener Eindruck war (Sie hat mich nach einem Keks gefragt, ich sagte nein, sie haut frustriert nach mir, wenn das nicht nach Appetit aussieht)
Sie hat dann kurz vor 10 Uhr diese "Scheiß-egal"-Tropfen bekommen, sollte nochmal gewickelt werden und ein OP-Kleidchen angezogen bekommen. Die Tropfen bewirken Amnesie, wurde mir erklärt, das heißt, die Kinder erinnern sich später nicht mehr an die ganze Aufregung. Sie haben schon nach ein paar Minuten gewirkt. Sie fing an sich in Zeitlupe zu bewegen, die Augenlider auf Halbmast. Der Kopf rollte hin und her und sie fand ihre Hände plötzlich unheimlich faszinierend, diese Finger...und wie sie sich anfüüühlen... Ich grinse und die Maus fängt an wie ein Marihuana-Junkie zu kichern. Höhöhö. Sie kriegt sich kaum noch ein. Selber sitzen und stehen kann sie nicht mehr, sie kuschelt sich in dem rückenfreien Hemdchen auf meinen Schoß und betrachtet weiterhin fasziniert die Umgebung wie ein Neugeborenes. Ich muss den Kopf stützen, damit er nicht hintenüber kippt. Auf die Einstichstelle für die Flexüle wird ein "Zauberpflaster" geklebt, das den Bereich taub macht.
Dann holt uns die Schwester ab. Die Maus wird in ihrem Bettchen nach unten in den Aufwachraum gebracht. Hier warten wir nun, dass der OP frei wird und es los geht. Die Maus ist sehr fasziniert von den Elefanten auf ihrem Kopfkissen, die sie hartnäckig für Hunde hält. Sie entdeckt sie ständig neu und kichert, die Augen so dicht an den "Hunden", dass die Nase das Kissen berührt. Der Anästhesist versichert mir nochmal, dass das Spucken, auch wenn es vermutlich ein Virus war, kein Hinderungsgrund für die OP ist, weil sie ansonsten körperlich fit ist. Ok, ich hatte schon befürchtet, wir müssten alles ablasen und in einem halben Jahr nochmal wiederkommen. Dann wird die Maus in einem Nebenraum auf die eigentliche OP-Liege geschnallt, bekommt eine grüne Haube auf (findet sie nicht schick) und wird mitgenommen. - Ich muss betonen, dass alle Ärzte und Schwestern wunderbar auf Kinder eingehen und sie mit viel Einfallsreichtum während Untersuchungen und Behandlungen bespaßen. Man kommt sich auf keinen Fall irgendwie abgefertigt vor und doch geht alles schnell und effizient. - Ich gehe wieder hoch auf die Station und muss jetzt alleine die Zeit rumkriegen. Der Papa hütet bei der Tante zu Hause den Sohnemann und kann erst kommen, wenn sie Feierabend hat und den Großen übernehmen kann.
Ich kaufe mir im Bistro eine Rätselzeitschrift und fange unkonzentriert an zu rätseln. Dann nähe ich Knöpfe an den eigens für die Gipshand angefertigten Winterponcho (später mehr), flicke eine aufgeplatzte Naht an ihrer eigentlichen Winterjacke und unterhalte mich mit einer anderen kleinen Patientin im Elternzimmer. Die Zeit vergeht irgendwie. Ich denke bewusst nicht an dass, was gerade unten im OP passiert.
Mit Einschlafen, Operation und Verbinden sollte das Ganze vier Stunden dauern und ich werde auch fast genau nach vier Stunden zum Aufwachraum gerufen.
Die Maus liegt nur mit ihrer Windel bekleidet auf dem Bauch unter ihrer Bettdecke und schläft. Ihre frisch verbundene Hand liegt neben ihrem Kopf. Sie ist gar nicht eingegipst wie ich dachte, sondern nur dick verbunden. Es schauen drei Finger und ein rosiger Daumen raus. Ich streichle ihr über den Rücken und muss mich zusammenreißen um nicht zu weinen. Fang ich damit erst an, dann hört das nicht mehr auf. Ich bin furchtbar nervös und zittere. Bei jeder Bewegung im Schlaf kriege ich fast einen Herzkasper. Sie hebt ab und zu den Kopf und ich muss aufpassen, dass der dann nicht auf die Hand knallt. Im Aufwachraum ist es ruhig, ab und zu piepst eines der Geräte. Es dauert eine Weile, bis meine Maus anfängt aufzuwachen. Als erstes verlangt sie im Halbschlaf nach ihrem Spielzeugauto, dass bis hier runter mitgenommen werden musste. Sie drückt es an sich und schläft weiter. Nach einer Weile wird sie wieder langsam munter. Sie fängt an zu jammern und sagt Aua Aua. Ich sage der Schwester Bescheid und die Maus bekommt ein wenig Schmerzmittel. Später erfahre ich vom Chirurgen, dass sie die Hand eigentlich noch nicht spüren können sollte, da diese während der OP vollständig betäubt wurde.
Nach über zwei Stunden im Aufwachraum darf ich meine Mausi mit auf die Station nehmen. Dort wartet gerade der Papa auf uns. Die Maus ist groggy, aber vertilgt fast alle Minireiswaffeln, die ich noch von der Anreise übrig habe, die Kliniksalzstangen verschmäht sie. Die verbundene Hand findet sie nicht so gut, aber ganz schrecklich findet sie die Flexüle an ihrem rechten Fuß. Solange sie sie nicht sieht ist alles gut, aber wehe ihr Blick fällt darauf. Eine Schwester rät mir einfach eine Socke von mir drüber zu ziehen und siehe da, alles in Butter. Die Maus bekommt nun alle sechs Stunden Ibuprofen als Suspension. Die letzte Hürde des Tages ist das Anziehen. Gott sei dank habe ich einen Wickelpullover mit Ärmel zum Knöpfen genäht.
Das erste Foto der Hand nach der OP
Es ist halb acht abends und ich lege mich mit der Maus zusammen in mein Bett. Ich bin todmüde, die Maus schläft schon. Die Hand soll möglichst hoch gelagert werden. Falls der Daumen bläulich aussehen sollte, liegt das daran, dass während der OP einige kleine Venolen geopfert werden müssen und daher der Abfluss des Blutes manchmal nicht gut funktioniert. Ich soll dann sanft über die Fingerkuppe streichen und so das Blut beim Weiterfließen unterstützen. Im Zwielicht des dunklen Zimmers sieht der Daumen jedesmal blau aus, wenn ich aus dem Halbschlaf hochschrecke. Ich streichle ihn vorsichtig und bilde mir ein, er wäre nun rosiger. Alles Quatsch, hier staute sich gar nichts, war nur meine Einbildung. Die Maus schläft durch bis zum Morgen (bis auf das nächtliche Ibuprofen). Das andere Kind im Zimmer leider nicht ... Ein Königreich für ein Einzelzimmer.